Kai Hagen: Von der Cowboystimme zur Stimme mit Herz
„Bonanza“ und „Winnetou-Filme“, das waren gegen mitte der 60er Jahre die Publikumsrenner auf Bildschirm und Leinwand. Die Plattenindustrie folgte diesem Trend. Cowboys und Wilder Westen wurden in jeder erdenklichen Form gesanglich vermarktet. In dieser Vermarktungsmaschinerie sollte auch Kai Hagen verwertet werden. Dies ist die Geschichte eines Sängers, der sich dagegen stemmte.
von Wälz Studer (copyright wälz studer/memroyradio.de)
Werner Schäffer war bereits ein reifer Mann, als die Produzenten der Plattenindustrie auf ihn aufmerksam wurden. Produzent Rudi von Dovenmühle entdeckte den ausgebildeten klassischen Sänger aus Hagen. Es war die Stimme, die ihn reizte. Die tiefe, ausgebildete Stimme von Werner Schäffer aus Hagen, eine Stimme, geschaffen für die „Cowboy“- und „Bonanza“-Schiene.
Alle Plattenfirmen hatten sich mittlerweile des „Western“-Themas angenommen. Gitte auf „Columbia“ wollte einen Cowboy zum Mann. Ronny, Peter Hinnen, Martin Lauer und das Medium Terzett huldigten Cowboys und Wildem Westen für „Telefunken“, für „Ariola“ und die „Polydor“. Jede Plattenfirma hatte einen erfolgreichen Interpreten für den „Western“-Bereich“. Nur der „Philips“ fehlte einer. Diese Lücke sollte Kai Hagen füllen.
Rudi von der Dovenmühle produzierte mit Werner Schäffer, der sich nun Kai Hagen nannte, zwei Singles mit Countrysongs. Für Musik und Produktion waren Hans Hofmann und von der Dovenmühle (unter seinem Pseudonym Rudi Lindt) sowie Texter Günther Tilgert tätig. Die zweite Single „Gold hab ich nicht gewollt“ schlug richtig ein. Es gab nur ein Problem: Kai Hagen fühlte sich mit dem „Country-Image“ nicht wohl. Produzent Rudi von Dovenmühle wollte seinen Künstler halten, weil er von Stimme und Ausstrahlung überzeugt war. Vermutlich deshalb presste er Aufnahmen von Kai Hagen mit den Schöneberger Sängerknaben auf Single und brachte sie auf seinem privaten Label „minerva“ heraus.
Standards statt Westernlieder
Kai Hagen liess sich von seinem Einschluss nicht abbringen. Er wollte ein Entertainer sein, ein Crooner. Er wünschte sich ein Repertoire mit deutschen und internationalen Standards. Produzent Friedel Berlipp bot ihm die Chance, Für „Vogue“ den Titel „A Man Without Love“ auf Deutsch aufzunehmen. Der Song war 1966 der englische Beitrag für den Grand Prix Eurovision und wurde von Kenneth McKellar vorgetragen. Das Lied galt als Favorit. Sieger wurde allerdings Udo Jürgens mit „Merci Chérie“. Hagens deutsche Version „Ein Mann, der nicht liebt“ blieb deshalb in den Regalen liegen. Ironie der Geschichte: „A Man Without Love“ wurde zwei Jahre später ein europaweiter Hit für Engelbert. Allerdings ist nur der Titel identisch. Engelberts Titel ist die englische Version des italienischen Schlagers „Quando m’innamoro“.
High-Risk-Unternehmen "Topcord Records"
Mit der dritten Single war die Schallplattenkarriere des Kai Hagen bei den Majors beendet. Hagen hatte sich in der Zwischenzeit für seine Live-Auftritte auf ein Programm von Standards und semiklassischen Titeln festgelegt. „Saga“ bot ihm an, Titel aus dem neuen Programm auf Platte zu pressen. 1968 erschien das Album „Von mir ein Souvenir“. Das Album war unter Mithilfe von Friedel Berlipp und Hans Hofmann entstanden. Es wurde von einer englischen Plattenfirma übernommen und im ganzen damaligen Commonwealth veröffentlicht. In seinen Unterlagen bezeichnet Hagen das Album „als Höhepunkt seiner Karriere“ (1).
Die nachfolgenden zwei Singles bei „Opp“ (1969) und „Resono“ (1970) fanden kaum den Weg in die Plattenläden. Ob dies der Anlass war, dass sich Hagen auf das Risiko einliess, ein eigenes Schallplattenlabel zu gründen, bleibt offen. Tatsache ist, dass ab 1971 das Label „Topcord Records“ seinen Betrieb aufnahm. Mit der Nummer 4 erschien 1971 die Topcord-Single „Hagen das goldene Tor“. Golden waren aber die Perspektiven des Labels nicht. Hagen ärgert sich noch heute über das Geschäftsgebaren von Manager und Produzent Ralph Milko: „Es gab keine Produktion, die sich trug. Das Ganze war ein einziges Defizitgeschäft. Was mich ärgert ist, dass es immer wieder zu unseriösen Geschäften kam." (2) Hagen schloss das Label nach knapp zwei Jahren. Danach war er nur noch als Sänger tätig
Drummer für Wolfgang Sauer
Kai Hagen (*21.3.1928) wuchs in Wehringhausen als Sohn eines Fleischermeisters auf. Nach dem frühen Tod seines älteren Bruders war der Lebensweg vorgezeichnet: Schule, anschliessend Lehre und Meisterprüfung als Fleischer. 1952 gründete der Vater zusätzlich eine Wurstfabrik. Die Produktion wurde um sechs Verkaufsstellen erweitert. Parallel dazu frönte der Sohn seiner Leidenschaft für Jazz. So sass er für Wolfgang Sauer oder Siggi Gerhard am Schlagzeug. Die Bekanntschaft mit Wolfgang Sauer führte Ende der 60er Jahre dazu, dass Sauer unter dem Pseudonym „Finette“ die Texte für einige Nummern auf der CD „Von mir ein Souvenir“ schrieb.
Erst 1957 mit knapp 30 Jahren gab Hagen dem künstlerischen Flair nach. Er nahm Zeichenunterricht. Später konzentrierte er sich auf sein musikalisches Talent. Er begann ein Studium für Operngesang und Schauspiel, welches er als Tenor abschloss. Jetzt gastierte er immer wieder auf Bühnen Nordrhein-Westfalens. Ab 1963 begann er seine Karriere als Kai Hagen. Diese Gesangskarriere verfolgte er immer neben seinem Beruf als Chef eines mittelständischen Betriebes.
Kai Hagen hat trotz einer herausragenden Stimme den grossen Durchbruch nicht geschafft. Es gibt mehrere Gründe weshalb er nie in die vorderste Riege vorrückte. Drei können als prioritär bezeichnet werden.
1. Hagen wandte sich gegen ein fremdbestimmtes Image.
2. Hagen war bereits 35 Jahr alt, als er seine Sängerkarriere begann.
3. Hagen setzte nie voll auf eine Karriere im Schaugeschäft.
Diese drei Faktoren in der Summe wirkten sich nicht erfolgsfördernd aus. Die Produzenten der 60er Jahre setzten nicht auf Künstler, die selber Lieder schrieben oder eine eigene Vorstellung von ihrer Musik hatten. Sie schrieben Titel, die einem Trend oder einer Zielgruppe entsprachen und suchten sich dafür einen geeigneten jungen Interpreten. Einer der ersten, die dieses Schema durchbrechen konnte, war Udo Jürgens, dem dann Sänger wie Drafi, Michael Holm oder Peter Orloff folgten. Kai Hagen als 35jähriger erfolgreicher Geschäftsmann konnte sich einem solchen Regiment nur schwer unterziehen. Nach zwei Singles war er sich sicher, dass die Auftritte mit Cowboyhut auf die Dauer nicht sein Ding waren. Und er sah, wie kurzlebig das Schaugeschäft war. Er zog es vor, in einem Genre tätig zu sein, das seinem Alter besser entsprach und das ein längeres Überleben versprach. Aus der Cowboystimme wurde die „Stimme mit Herz“ (1). Hier kalkulierte er richtig. Seine Sangeskarriere dauerte bis in die 80er Jahre.
Nicht richtig kalkulierte er bei seinem Ausflug ins Schallplattenbusiness. Damit wollte er sich wohl eine Möglichkeit schaffen, Titel nach seinem Gusto zu veröffentlichen. Diesen Ausflug brach er nach knapp zwei Jahren ab.
Kai Hagen lebt heute als Rentner zurückgezogen in Hagen. Den letzten öffentlichen Auftritt hatte er bei seinem 80sten Geburtstag im Jahre 2008. Darüber findet sich eine ausführliche Berichterstattung im Internet. (3)
Quellen:
1. Presse-Information „Resono“ 1970 zu „Heimat deine Sterne
2. Telefon vom 4.11.2014 mit Kai Hagen
3 http://www.derwesten.de/wr/staedte/hage ... 68171.html