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Margot Hielscher gewidmet zum 80. Geburtstag am 29. September 1999

Deutschlands "First Lady" beim Grand Prix

von Ilse und Udo Dirnaichner

Margot Hielscher - mit diesem Namen verbindet man in Deutschland auch heute noch die Erinnerung an eine außergewöhnliche Erscheinung, an einen grünen Star, der sich als umfassende Künstlerpersönlichkeit nie auf die Bereiche Chanson, Film, Malerei oder Mode reduzieren ließ. Am 29. September 1999 kann Frau Hielscher ihren 80. Geburtstag feiern, ein unglaubliches Jubiläum, erblickt man die auch heute noch strahlende und dynamische Grand Dame, die nie älter geworden zu sein scheint.

Zu Beginn eine Art Preisfrage: Welche Künstlerin hat eigentlich als erste für Deutschland am Grand Prix Eurovision de la Chanson teilgenommen? Zusatzfrage: Wann und mit welchem Erfolg? Antwort: memory-Leser wissen natürlich wie immer mehr, denn des Rätsels Lösung stand in Heft 61 S. 21: Es war Margot Hielscher! Deren gesamtes künstlerische Schaffen in einem Beitrag abhandeln zu wollen, würde ein schier nicht zu bewältigendes Unterfangen darstellen. Deshalb soll sich dieser Beitrag auf einen auch heute noch eher wenig bekannten Ausschnitt der Karriere konzentrieren, eben "den Grand Prix".

Margot Hielscher war Mitte der 50er Jahre bereits seit langen Jahren eine anerkannte und erfolgreiche Persönlichkeit des Deutschen Films und der Deutschen Musikszene. Es war deshalb auch keine Überraschung, daß im Jahr 1957 die Wahl auf Margot Hielscher und ihr Lied "Telefon, Telefon" fiel, als es am 17. Februar desselben Jahres in der von Hans Joachim Kulenkampff präsentierten Fernsehsendung "Zwei auf einem Pferd" darum ging, den deutschen Beitrag für den 2. Grand Prix Eurovision zu finden, der zwei Wochen später im selben Fernsehstudio stattfinden sollte. Zum einen hatte Margot Hielscher bereits Festival-Erfahrung, denn sie vertrat Deutschland bereits drei Jahre zuvor beim "Festival du Chanson" in Marrakesch; zum anderen wurde ihr Wettbewerbsbeitrag von ihrem Ehemann, dem berühmten Komponisten Friedrich Meyer, geschrieben und den Text verfaßte niemand anderer als der Vater des späteren "Mr. Grand Prix" Ralph Maria Siegel. Auch der Titel der Sendung konnte Margot Hielscher, die seit je her eine besondere Liebe zu Pferden empfand, nur Glück bringen. Margot Hielscher setzte sichln der Vorentscheidung gegen sehr bekannte Sänger wie Renee Franke, Illo Schieder und Paul Kühn durch. Die musikalische Leitung oblag dem unvergessenen Willy Berking. Dankenswerterweise hat uns Frau Hielscher aus ihrem Archiv ein seltenes Foto zur Veröffentlichung zugänglich gemacht, das im Rahmen der Deutschen Vorentscheidung 1957 entstand. Es diente auch als Vorlage für ein Notenblatt; bekanntlich "verkauften" sich Lieder in den 50er Jahren nicht ausschließlich über die Schallplatte, sondern die Noten der Lieder wurden mit Text in Form von "Notenblättern" herausgegeben.

Margot Hielscher wurde somit in der Geschichte des Grand Prix Eurovision die erste Künstlerin, die Deutschland bei diesem Wettbewerb vertrat, denn 1956 hatten bekanntlich zwei Sänger -Walter Andreas Schwarz ("Im Wartesaal zum großen Glück" B-Seite "Für 300 Francs", Ariola 35 478) und Freddy ("So geht das jede Nacht", B-Seite von "Rosalie", Polydor 23 223) teilgenommen . Am 3. März 1957 erreichte sie in der aus Frankfurt am Main ausgestrahlten Eurovisionssendung schließlich einen erfreulichen 4. Platz, wobei besonders ihre Ausstrahlung und ihr überaus kultivierter Vortragsstil von den Kommentatoren allgemein gewürdigt wurden. Als überlegene Siegerin wurde übrigens Corry Brokken für die Niederlande gekürt, die ihr "Net als toen" (Ronnex B) mit einem deutschen Text von Kurt Feltz anschließend auch als "Damals war alles so schön" (B- Seite "Seit wir uns seh'n", Philips 317 797) veröffentlichte. Platz 3 belegte übrigens knapp vor Margot Hielscher der dänische Beitrag "Skibet skal seijle inat" gesungen von Birthe Wilcke und Gustav (Gunnar!) Winckler, der das Lied für den deutschen Markt zusammen mit Bibi Johns als "Das Schiff geht in See heute nacht" (Electrola 8697) produzierte. Die Siegerin des Vorjahres, Lys. Assia ("Refrain" 1956, Decca 18 265) landete für die Schweiz diesmal nur auf Platz 8 ("L' enfant que j'etais"). Leider wurde "Telefon, Telefon" nie auf Schallplatte veröffentlicht; es existiert allein ein Radio-Mitschnitt, der auf der CD "Die Sieger des Deutschen Grand Prix" (Polyphon CD 849 204, 1990) enthalten ist.

Angesichts der überzeugenden Leistung im Jahr 1957 entschied sich der Hessische Rundfunk - als für die Vorentscheidung zum Grand Prix 1958 verantwortliche Deutsche Sendeanstalt - Margot Hielscher als Künstlerin fest zu nominieren und unter fünf exclusiv für sie geschriebenen Chansons eine Auswahl zu treffen. Man nominierte schließlich das Lied "Für zwei Groschen Musik" (Polydor 23 652, B-Seite "Seit gestern trägst du einen Ring", komponiert wiederum von Friedrich Meyer und getextet von Fred Rauch & Walter Brandin. Das Lied erreichte beim 3. internationalen Wettbewerb in Hilversum am 12. März 1958 einen achtbaren 7. Platz. Den Sieg trug der französische Beitrag "Dors mon amour" (Pathe 45 G 1395) gesungen von Andre Claveau davon; Camillo Felgen sang die deutsche Fassung "Unser Glück, mon amour" (Electrola 20 970, B-Seite "Laß' die dummen Träume". Nur knapp geschlagen landete Lys Assia mit "Giorgio" (Decca 18 762, geschrieben von Paul Burkhard -"Feuerwerk"! -, B-Seite "Louella") für die Schweiz auf dem 2. Platz. Über das auf den 3. Platz gewertete "Nel blu dipinto di blu" von Domenico Modugno (Polydor 23 813, B-Seite "Mariti in citta") braucht man ohnehin keine Worte mehr verlieren; auf Memory Heft 61 S. 20 kann verwiesen werden. Margot Hielscher selbst beeindruckte auch im Festivaljahr 1958 erneut durch ihre strahlende Erscheinung und die interessante Vortragsweise. Wie schon im Vorjahr setzte sie sehr klug auf die Überlegung, daß ein Lied nicht nur "Musikalisch" sondern auch "Optisch" auf den Zuseher wirken kann. War es 1957 der nette Einfall mit dem auf der Bühne installierten Telefon, so trat sie 1958 als "Miss Juke-Box" auf, gerade weil ihr Lied von den Möglichkeiten handelte, die eine derartige Anlage den musikbegeisterten Zuhörern je nach individueller Vorliebe bieten kann. Frau Hielscher hat uns freundlicherweise auch für das Jahr 1958 ein bisher nicht bekanntes Star-Portrait zur Verfügung gestellt.

Die Aussage von Musik und Text wird heute bei den Auftritten der Künstler immer stärker durch optische Anreize wie etwa Kleidung oder Requisiten betont. Betrachtet man aus unserer heutigen stark "visualisierten Sicht" die beiden Auftritte von Margot Hielscher, so wird deutlich, welches große Gespür die Interpretin dafür entwickelt hatte, wie man die Bedeutung eines Liedes Zuschauern aus verschiedenen Nationen näherbringen kann, wenn diese die Deutsche Sprache nicht verstehen. Es sollte bis zum Jahr 1979 dauern, bis sich auch ein deutscher Produzent dieser Idee besann und damit in der Folge große Erfolge erzielte - Ralph Siegel, der Sohn des Textdichters aus dem Jahr 1957, stellte mit "Dschinghis Khan" (Jupiter 100430) ein kleines Musical auf die Bühne, erreichte einen guten 4. Platz und konnte sich über einen internationalen Verkaufserfolg freuen. Es ist überhaupt ein Kennzeichen der Künstlerpersönlichkeit Margot Hielschers, daß sie aufgrund ihrer absolut professionellen Einstellung offen für alle Neuerungen des "Showbiz" war und ist und immer nach vollendeter Perfektion strebte. In einem Interview wurde sie einmal danach gefragt, ob sie als berühmter Star keine Befürchtungen habe, daß ihr durch eine Teilnahme beim Grand Prix Nachteile für die Karriere entstehen könnten. Frau Hielscher antwortete: "Ganz im Gegenteil! Was gibt es Interessanteres, als sein Land in einem friedlichen Wettbewerb vertreten zu können, ein perfektes Team um sich zu haben und einfach etwas Neues auszuprobieren. Musik mit Punkten zu bewerten ist schwierig, aber spannend zugleich - für die Interpreten wie für die Zuschauer. Mir geht es darum, die Gedanken von Komponist und Texter auf meine Art dem Publikum zu vermitteln. Auch wenn es nur einen Sieger geben kann, sind die anderen Teilnehmer doch keine Verlierer." Margot Hielscher verdient für diese wirklich faire und kluge Aussage gerade heute noch ungeteilte Zustimmung.

Wie eingangs bereits erwähnt, konnte das Deutsche Fernsehen mit Margot Hielscher eine Künstlerin auf die internationale Bühne entsenden, die kein "New-Comer" war, sondern ein absoluter Star, der auf eine beeindruckende Karriere auf vielen Gebieten zurückblicken konnte. An dieser Stelle seien deshalb nur einige wenige Stationen des künstlerischen Schaffens von Margot Hielscher skizziert. Nach einem Studium an der Modeschule arbeitete sie als Kostüm-designerin bei der Filmgesellschaft "UFA". Sie studierte nebenbei Schauspiel und Gesang und wurde eher zufällig vom seinerzeit berühmten Komponisten Theo Mackeben ("Heimat", "Bei Ami") entdeckt. Ihre eigentliche Karriere begann am 1. September 1940, dem Tag der Uraufführung des Zarah Leander - Erfolgsfilms "Das Herz der Königin" über das Leben von Maria Stuart, in dem Frau Hielscher eine schöne Nebenrolle erhalten hatte. Von da an ging es nur bergauf. 1943 folgte der große Schallplattenerfolg "Frauen sind keine Engel", ein Evergreen aus dem gleichnamigen Film. Der Erfolg blieb Frau Hielscher auch in den Nachkriegsjahren treu, sie sang weiterhin Chansons und drehte Filme, wobei sie sich nie auf ein Genre festlegen ließ. Sie begeisterte das Filmpublikum sowohl mit ernsten Rollen (Filme: 1952 "Heimweh nach dir", 1953 "Salto Mortale"), erfreute ihre Fans aber auch gerne mit eher heiteren Sachen; 1957, im Jahr der erstmaligen Teilnahme am Grand Prix spielte und sang sie beispielsweise die Hauptrolle in dem Kinoerfolg "Hoch droben auf dem Berg" und festigte damit ihre Position als Publikums-Liebling. Anders als andere Filmstars stand sie auch dem seinerzeit erst in der Entstehung begriffenen Deutschen Fernsehen keineswegs ablehnend gegenüber. Schon früh gestaltete sie eine feste Sendereihe "Zu Gast bei Mar-got Hielscher", in der sie Prominente empfing und damit eine Art "Talk-Show" erfand, lange bevor dieser Begriff Allgemeingut wurde.

Ihr Wohnhaus in München hatte sich daneben schon seit langem zu einem Treffpunkt berühmter Künstler entwickelt; der Schriftsteller Erich Kästner, die Musiker Nat "King" Cole und Duke Ellington oder auch Herbert von Karajan und Leonard Bernstein spielten auf Friedrich Meyers berühmten "Bösen-dorfer"-Flügel im Wohnzimmer von Frau Hielscher. Für Oscar Peterson malte sie übrigens das Cover einer bekannten Jazz-LP, Beweis ihrer Vielseitigkeit. Daneben drehte sie weiter Filme (beispielsweise "Der Zauberberg'" nach Thomas Mann, 1984), wirkte in Fernsehserien mit und ist auch heute noch ein gern gesehener Gast in vielen Fernsehsendungen und bei anderen kulturellen Veranstaltungen. Ihre Hunde, die berühmten Dandie-Dinmont-Terrier, haben sie ihr Leben lang begleitet.

Übrigens - es besteht auch eine Verbindung zu Dieter Bohlen ("Modern Talking", Komponist, Produzent, "Verona Feldbusch / Naddel"), denn Bohlen hatte 1987 den Soundtrack zu jener legendären Fernsehserie geschrieben, in der Margot Hielscher die Hauptrolle spielte: "Rivalen der Rennbahn", richtig, hier ging es auch um Pferde, die Tiere, zu denen Frau Hielscher als engagierte Tierfreundin - wie schon gesagt - immer eine besondere Beziehung hatte und die ihr - damit sind wir wieder am Anfang - stets Glück gebracht haben.

aus: memory - Magazin für Freunde deutscher Oldies, Nr. 64 (15. September 1999)