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Leonie Brückner:

Pepsi-Girl mit “Kilius-Stimme”

von Wälz Studer

Leonie Brückner hat Schlagzeilen gemacht. 1964 schrie die Presse „Skandal“, weil sie vermutete, dass Brückner den Hit „Wenn die Cowboys träumen“ für Marika Kilius eingesungen habe. Die Single-Veröffentlichungen Leonie Brückners haben nie die Charts erreicht. Und doch kennt ganz Deutschland ihre Stimme, weil sie über Jahre die Stimme des „Pepsi-Girls“ war.

Die Karriere von Leonie Brückner ist die Karriere eines Chorgirls. Ein Chorgirl, das den Traum einer großen Karriere als Solistin nie geträumt hat, weil es glücklich war, in kleinen tollen Chören und Ensembles zu singen. An Life-LP-Produktionen mitwirken zu können, wie z.B. mit Kollegin Gretel Kästel und der Big Band von Kurt Edelhagen, in denen ihre Stimmen wie Instrumente eingesetzt wurden.

Geblieben sind Erinnerungen und einige Singles unter eigenem Namen und Dutzende unter fremden Namen. Von 1958 bis 1975 hat Leonie Brückner auf hunderten von Produktionen im Chor mitgesungen. An Namen erwähnt sie im Gespräch: Cliff Richard, Bata Illic, Costa Cordalis und Ivan Rebroff. Ihr eigener Name ist vergessen gegangen. Für die Geschichtsbücher einige Anmerkungen zu einer Stimme, die die Zeitgeschichte von Westdeutschland in den 60er und 70er Jahren mitgeprägt hat.

Die Kirchenmusikerin haut ab..

Der Musiklehrer Brückner zu Dresden hatte klare Berufsvorstellungen für die kleine Leonie, die am 7.4.1937 zur Welt kam. Aus dem Mädchen sollte eine Kirchenmusikerin werden. Leonie klimperte bereits virtuos auf dem Klavier, bevor sie zur Schule ging. Nach der Schule erlernte sie an der Technischen Hochschule in Dresden den Beruf einer Fotografin. Parallel dazu studierte sie Musik am Konservatorium. Beim Abschluss-ball der Technischen Hochschule gab Lehrling Brückner einige Gesangseinlagen zum Besten. Dieser Auftritt führte 1956 zu einem Engagement als Sängerin bei den Dresdner Tanzsymphonikern. Mit dieser Formation wirkte sie bei der Eröffnungs-Show des polnischen Fernsehens mit.

1956 setzte sich Leonie Brückner nach Frankfurt ab. Sie kehrte einer Liebe wegen nach Ostdeutschland zurück. Dort entstand damals für Amiga gar eine erste Single. 1958 wurde ihr Pass eingezogen, weshalb sie endgültig in den Westen flüchtete.

Einstieg im Westen bei den „Urbanos“

In Frankfurt lernte sie den Chorleiter Fritz Urban kennen, der das Vokal-Ensemble „die Urbanos“ leitete. Er nahm sie in sein Ensemble auf. Die „Urbanos“ bestanden in der Grundformation aus fünf bis sechs Leuten. Mitglieder waren lt. Dieter Heitz, neben Urban u.a. René Siegen, Max Arnold, Edith Seipt und Hedi Wolf. Bei Bedarf zog Urban, gemäß Brückner, Leute wie Robert Pappert oder Karl Gross hinzu. Mit diesem Chor spielte sie „unendlich viele Werbespots“ ein, meist im legendären Tonstudio Frankfurt.

Offenbar verwendete Urban für seinen Chor verschiedene Namen. So sollen die gleichen Leute auch als „Vokalis“ in Erscheinung getreten sein. Bei Bella Musica, wo zur gleichen Zeit auch die „Urbanos“ unter Vertrag standen, sind im Jahre 60 zwei Singles von „Vokalis“ erschienen.

Horst-Heinz Henning lancierte die Solokarriere von Leonie Brückner. 1960 erschien auf Bella Musica ihre erste Single im Westen. „Sommerzeit“ war eine deutsche Version von „Summertime“. Im gleichen Jahr startete sie in Wiesbaden beim dritten deutschen Schlagerfestival. Im Duett mit Claus Herwig (= Teddy Parker) trug sie die Titel „Musikanten der Liebe“ und „Abends in Madrid“ vor. Beide Nummern floppten im Wettbewerb, sind aber auf Platte erschienen.

Henning hatte die Sängerin 1961 bei Elite Special untergebracht. Bis 1964 erschienen dort einige Singles. Die beiden Wettbewerbsnummern allerdings sind bei Adano (Musikanten der Liebe) bzw. Decca (Abends in Madrid) auf den Markt gekommen.

Die Solokarriere der Leonie Brückner kam trotz der Bemühungen von Henning nie richtig in Fahrt. Geld verdiente die junge Frau mit Jobs im Studio. Im Interview mit dem Schweizer Sender „Radio Munot“ sagte Brückner: „Ich sang vom Blatt, war zeitlich und örtlich flexibel, weshalb ich bald einmal fast jeden Tag im Studio stand.“ Dank ihren Fähigkeiten wurde sie auch mehr und mehr als Sängerin für Werbespots gebucht, was ein besonders lukratives Geschäft war. Im Laufe der Jahre hat Leonie Brückner Spots für Calgon oder Pepsi Cola gesungen. Noch heute sagt sie stolz: „Ich war das deutsche Pepsi Girl“, und singt den Spot astrein vor.

Pseudonyme en masse

Daneben machte sie Dutzende von Produktionen für Billiglabels wie Mandolino oder Acondor, für die sie die aktuellen Hits von Stars wie Petula Clark, Caterina Valente, Connie Francis, Siw Malmkvist oder Manuela unter Pseudonym aufnahm. Leonie Brückner erinnert sich an Pseudonyme wie Cathrin Jacobsen, Babi Osten, Sabri Hilgen und Tina. In dieser Zeit entstanden für Vogue auch Singles mit der Formation „René Singers“, der neben Leonie Brückner René Siegen und Edith Seipt angehörten.

Ein Studiojob war auch jener für die „Crazy Girls“. Wie in „memory“ Ausgabe 47, S. 17 beschrieben, sind auf Autogrammkarten der Crazy Girls drei Sängerinnen zu sehen. Gemäß „memory“ bestanden sie aus Rosy Rohr, Gretel Kästel und Ans Plevier. Aber Leonie Brückner ist sich sicher, dass das nicht stimmt: „Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass ich bei beiden Singles dabei war. Es könnte allerdings sein, dass wir in unterschiedlicher Besetzung gesungen haben. Vielleicht mal Rosy Rohr, Gretel Kästel und ich und die zweite Single Ans Plevier, Gretel und ich. Für die Aufnahmen zeichnete Paul Kuhn verantwortlich. Im Archiv von Leonie Brückner finden sich beide Singles der Crazy Girls „Lass sie reden“ und „Joe der Gitarrenmann“, weshalb davon auszugehen ist, dass sie bei den Aufnahmen dabei war. Es ist durchaus möglich, dass sich die Live-Formation von der Studio-Formation unterschied. Ganz wird das Geheimnis wohl nicht mehr gelöst werden können.

Leonie Brückner bildete, gemeinsam mit Henry Conradi, das Duo „Twist Twens“, das 1963 die deutsche Fassung von „Some Kinda Fun“ als „Sexy Twist (Jung und verliebt)“ einsang.

Brückner war nicht die „Stimme der Kilius“

Im Jahre 1964 kam die Sängerin mit dem Produzenten Gerd Schmidt in Kontakt. Er besorgte ihr einen Vertrag bei der neu gegründeten CBS. Und bei CBS war es auch, wo die Brückner für die größten Schlagzeilen ihrer Karriere sorgte. „Bild“ behauptete steif und fest, das Lied „Wenn die Cowboys träumen“ sei nicht von Marika Kilius, sondern von Leonie Brückner eingesungen worden. Fast vier Jahrzehnte später gibt die Brückner folgendes zu Protokoll: „Marika konnte nicht gut singen. Und sie wusste das auch. Ich hatte die Aufgabe, ihr bei der Singerei zu helfen. Tatsächlich habe ich die Melodiestimme des Titels eingesungen. Marika bekam dann im Studio meine Stimme auf den Kopfhörer und musste versuchen, nachzusingen. Als der Titel mit Marika im Kasten war, wurde meine Stimme gelöscht. Ich sang dann noch die Oberstimmen hinzu. Wenn man „Wenn die Cowboys träumen“ genau anhört, erkennt man klar die Stimme der Kilius.“

Brückners Publizität als „wahre Stimme der Kilius“ wurde benutzt, um ihre Solokarriere noch mal zu lancieren. Bei CBS erschien Ende 1964 eine Single. Anfangs 1965 belegte sie mit dem Lied „Auch du wirst geh’n“ im nationalen Finale für den Grand Prix Eurovision den vierten Platz. Die Nummer ist auf der letzten Single zu finden, die von Leonie Brückner veröffentlicht wurde. Die Anstrengungen fruchteten nichts. Beide Singles floppten. Als sie kurze Zeit ein Anruf von Botho Lucas erreichte, ob sie in seinem Chor mitwirken wolle, zögerte sie nicht lange. Mit Botho Lucas kam es kaum zu Liveauftritten. Meist stand das Ensemble im Studio oder war für TV-Sendungen verpflichtet. Nebenbei sang sie gelegentlich auch im Chor von Günter Kallmann mit. Leonie Brückner denkt dankbar an diese Zeit zurück. Sie erinnert sich an die Auftritte in Kulenkampffs „Einer wird gewinnen“, an eine Tournee mit Ray Conniff.

Hinzu kamen laufend Studiojobs, sei es für Plattenproduktionen oder Werbung. Das Geschäft boomte, weshalb sie einen eigenen Chor zusammenstellte. Zu dieser ad-hoc-Formation gehörten Herlinde Grobe (Bianca), Robert Pappert und andere.

Zu Beginn der 70er Jahren brach Leonie Brückner nochmals aus den Mauern der Studios aus. Sie nahm ein Engagement als Sängerin bei Hubert Wolf und den Original Böhmerländern an. Zusammen mit Carl Gross bildete sie ein Gesangs-Duo. Mit Hubert Wolf und seinen Mannen trat sie in Festzelten auf und sang einige Alben ein. In dieser Zeit lernte sie im Urlaub einen charmanten Engländer kennen, an den sie ihr Herz verlor. 1975 heiratete sie ihre große Liebe und zog nach London. Dort arbeitete sie jahrelang als Sekretärin. In den 90er Jahren kehrte das Ehepaar in den Großraum Frankfurt zurück, wo Leonie Brückner heute lebt.

Discographie

zusammengestell von Tinu Anneler, Dietrich Heitz und Wälz Studer

Singles

Leonie Brückner

Bella Musica

291
(1960)
Sommerzeit (Summertime)
Fahren zwei nach Hawaii

Elite Special

9380
(1961)
Tanja Baby (Gerd Ströhl)
Casanova Albertino
9382
(1962)
Ein Mädchen, das verliebt ist
Zweimal kurz - einmal lang
9429
(1964)
Casanova Albertino
Zweimal kurz - einmal lang

Decca

19 244
(1961)
Alles wird gut (& Claus Herwig)
Abends in Madrid (& Claus Herwig)

Adano

90 014
(1961)
Musikanten der Liebe (& Claus Herwig)
Brauner Bär zwischen roten Korallen (& Claus Herwig)

Polydor

24 645
(1961)
Adieu mein Postillon von Avignon
Hand aufs Herz (Erika Berg und die Penny Pipers)

CBS

1617
(1964)
Schade um deine roten Rosen
Johnny
1708
(1965)
Auch du wirst geh'n
Alle Mädchen träumen von der Liebe

Gloria

10 019
(1962)
Wenn du gehst
Surabaya (Gloria Bee)

Sabri Hilgen

Mandolino

508
(1963)
Casanova Baciami
Das haben die Mädchen gern (Rinaldo Roma & Frank Kopper)
511
(1963)
Lup-Di-Lu (Loop De Loop) (& Rinaldo Roma)
Sailor Boy (Rinaldo Roma & Frank Kopper)
519
(1963)
Barcarole in der Nacht
Colombino
526
(1963)
Ich geh' noch zur Schule
Hey Boy, laß doch den Whisky
535
(1964)
Warum muß man auseinandergeh'n (Mit weißen Perlen)
Unser Liebestraum
538
(1964)
Jedes Boot hat seinen Hafen
Nino

Universum

71136
(1964)
Liebeskummer lohnt sich nicht (Babi Osten)
Napoli

Cathrin Jacobsen

Mandolino

504
(1963)
Western Rose (Rinaldo Roma)
Spiegel Twist
509
(1963)
Hochzeit in Louisiana
Ich kauf mir lieber einen Tirolerhut (Frank Kopper)
514
(1963)
Hawaiiana Melodie
Java Tamouré
548
(1964)
Honeymoon in St. Tropez (& Frank Kopper)
Nur der Mond ist schuld daran (& Frank Kopper)

Babi Osten

Mandolino

502
(1964)
Madison in Mexico
Mary Rose (Philipp Sander)
521
(1963)
Im kleinen Dorf am Rio Grande (& Frank Kopper)
Tampico (& Frabk Kopper)
525
(1963)
1999
Crazy Boy
540
(1964)
Zwei auf einer Bank (& Frank Kopper)
Wunderland der großen Liebe (& Frank Kopper)

Universum

71136
(1964)
Liebeskummer lohnt sich nicht
Napoli (Sabri Hilgen)

Tina

Acondor

45 515
(1964)
Will keinen Cowboy als Mann
Wenn zwei junge Herzen träumen

aus: memory - Magazin für Freunde deutscher Oldies, unveröffentlicht