Vera Wälle - Erste Rockröhre der Schweiz
Verfasst: Mittwoch 29. April 2015, 16:27
Vera Wälle: Erste Rockröhre der Schweiz
Vera Wälle ist in Deutschland als Schlagersängerin kaum bekannt. In der Schweiz waren sie und ihre Schwester Fio die ersten Frontfrauen einer Rockband, was ebenso kaum bekannt ist. Vera Wälle hat eine einzige Solosingle veröffentlicht und zwei Singles mit den „Sauterelles“, der erfolgreichsten Beatband der Schweiz.
copyright wälz studer/memoryradio.de
Die Grossmutter war der Auslöser für die Sangeskarriere der beiden Wälle-Schwestern Bernadette (Bernie)und Fiorella (Fio). Sie hatte für eine Familienfeier ein Couplet geschrieben, das die Enkelinnen vortragen mussten. Die Darbietung kam bei der Verwandtschaft dermassen gut an, dass fortan ein Auftritt von Bernie und Fio bei Familientreffen zur Pflicht wurde. Die Mädchen bauten ein Programm mit Schlagern und Volksliedern zusammen, mit denen sie bei Freunden und Bekannten auftraten. Ab 1964 beteiligten sie sich an Nachwuchswettbewerben, wo sie sich regelmässig mit Paola, Yolanda oder Sonny Appleday um die Pokale stritten. Bernie und Fio nannten sich nun „Pony Sisters“. Einer weiteren Öffentlichkeit wurden die Schwestern bekannt als Supporting Act von Roy Black, der mitte der 60er Jahre eine Gastspielreise durch die Schweiz absolvierte. So gut es auf der Bühne lief für die Wälle-Geschwister, so schlecht lief es daneben. Die Eifersüchteleien und Reibereien der beiden waren in der Branche ein offenes Geheimnis.
Pony-Sisters werden erste Schweizer Rockröhren bei den „Sauterelles“…
Toni Vescoli, Boss der „Sauterelles“, der erfolgreichsten Schweizer Beatband wusste von diesen Nickligkeiten. Trotzdem verpflichtete er Ende 1968 die Geschwister für den Neustart seiner Band. Diese war auseinandergebrochen, nachdem sie mit „Heavenly Club“ im Sommer ´68 ihren einzigen Nummer-Eins-Hit in der Schweiz gelandet hatte. Mit dieser Verpflichtung schreibt Vescoli Schweizer Rockgeschichte: Zum ersten Mal gibt es Frauen in im LineUp einer erfolgreichen Schweizer Rockband.
Die „Sauterelles“ beschreiben diesen Neustart auf ihrer Homepage (1): „Mitte Dezember findet der letzte Auftritt dieser Erfolgs-Formation im Zürcher «Blow-Up» statt. An Silvester startet Toni (gemeint Toni Vescoli) im «Tabaris-Club» bereits mit einer neuen Formation von Les Sauterelles. Er will unter diesem Namen eine «Vocal Group» lancieren und hat deshalb die «Pony-Sisters» an Bord geholt. Was im Trio mit Fioretta und Bernadette Wälle begann, wird 1969 erweitert. Drummer Mike (Martin) Stoffner und Bassist Werner Fröhlich stossen zu Les Sauterelles.“

Bernie "Vera" Wälle als Mitglied der "Sauterelles"; Vera Wälle links, Fioretta Wälle rechts
…und verabschieden sich nach zwei Singles
Kurz darauf stehen Fio und Bernie Wälle erstmals im Studio und nehmen als Mitglieder der „Sauterelles“ den Titel „Station On Third Avenue“, geschrieben von den ehemaligen „Easybeats“-Mitgliedern George Young und Harry Vanda, auf. Es folgt in kurzem Abstand mit „Crazy and Dance (The Rock Steady)“ eine zweite Single. Die Plattenfirma hoffte, mit dem Werk einen neuen Tanz-Craze auszulösen (2): „Endlich ein neuer Tanz! „Rock Steady“ heisst die neue Mode, die aus Frankreich kommt, in der Schweiz schon begeisterte Anhänger gefunden hat und jetzt nach Deutschland vordringt. „Les Sauterelles“, eine der besten schweizer Beat-Gruppen, zeigen uns, wie’s gemacht wird. Auf denn zu ein paar Minuten Tanzunterricht!“
Die Zusammenarbeit zwischen den „Sauterelles“ dauerte nur wenige Monate. Dann hatte Vescoli genug von den Exzentrikeiten der beiden Schwestern. Bernie Wälle, die damals mit dem Sänger Sonny Appleday (siehe separater Forumsbeitrag) befreundet war, hatte einen Schallplattenvertrag in Aussicht. Dieser Flirt mit einer Solokarriere missfiel Boss Vescoli, weshalb es zur Trennung kam. Appleday liess seine Verbindungen spielen und vermittelte Wälle noch im gleichen Jahr einen Kontakt zu Produzent Horst-Heinz Henning, der eine Sängerin für die deutsche Version von „Put a little love in your heart“ suchte. Henning hatte dazu mit „Alles Theorie“ geschrieben. Bernie Wälle erinnert sich mit Schaudern an die Aufnahmen: „Es wurde eine schnelle Produktion. Eine unvorstellbare Hetzerei.“ (3)
Vera Wälle als Solistin
Aus Bernie wird Vera
Ein neuer Abschnitt in der Karriere der 20jährigen begann. Bernie bekam einen neuen Vornamen. Sie hiess fortan Vera. Und sie erhielt ein stromlinienförmiges Image. Diesem mussten ihre langen Haare weichen, was der gelernten Friseuse fast das Herz brach. Es folgte die obligate Ochsentour durch Diskotheken und Redaktionen von Funk und Fernsehen. Horror für die junge Sängerin waren Live-Interviews: „Die haben sich köstlich amüsiert über meine Hemmungen. Ich kam mir im grossen Deutschland verloren und minderwertig vor. Ich war froh, dass mich Sonny jeweils begleitete.“ (3)
Solche Minderwertigkeitskomplexe quälten sie zu Unrecht. Denn „Alles Theorie“ fand Gnade bei der ZDF-Hitparaden-Redaktion. Am 29. November 1969 trug Vera Wälle mit schlotternden Knien und schwacher Stimme ihr Lied vor. „Ich habe schlecht gesungen und mir dadurch vieles verbaut“ (3), gesteht sie rückblickend. Bernie Wälle stand wieder im Friseursalon in Wil bei St.Gallen. Allerdings nicht lange. Sie schloss sich als Sängerin einem Tanzorchester an, mit dem sie rund drei Jahre durch Nachtklubs und Dancings tingelte, bis ihre Stimme versagte. Erst 1977 kehrte sie auf die Bühne zurück. Mit ihrer eigenen „Bernie’s Band“ folgte die erfolgreichste Zeit. Die Formation gastierte in den besten Häusern. In den frühen 80er Jahren löste sich die Band auf. Es meldete sich schnell Günter Loose, erfolgreicher Texter und Komponist, der sich zu jener Zeit in der Schweiz als Produzent etablierte. Mit seiner Unterstützung startete sie ab 1982 ein Comeback als Solistin, nun unter dem Namen „Bernadette“. Ein Versuch, sich für das Schweizer Finale des Grand Prix Eurovision 1983 zu qualifizieren, misslang.

Bernadette "Vera" Wälle heute
Danach war von Bernie Wälle fünf Jahre lang nichts mehr zu hören. 1988 qualifizierte sich Bernadette mit „Balalaika in der Sommernacht“ fürs Schweizer Finale des „Eurovision Song Contest“, das damals von Céline Dion gewonnen wurde.
Bernadette Wälle sang nun hobbymässig. Und das tut sie noch heute als Mitglied der Formation „Tempi Passati“.
1: http://www.sauterelles.ch/story7.php
2: CBS-Blitzinformation auf Cover von „Be Crazy And Dance“
3: Interview mit Bernie Wälle
Vera Wälle ist in Deutschland als Schlagersängerin kaum bekannt. In der Schweiz waren sie und ihre Schwester Fio die ersten Frontfrauen einer Rockband, was ebenso kaum bekannt ist. Vera Wälle hat eine einzige Solosingle veröffentlicht und zwei Singles mit den „Sauterelles“, der erfolgreichsten Beatband der Schweiz.
copyright wälz studer/memoryradio.de
Die Grossmutter war der Auslöser für die Sangeskarriere der beiden Wälle-Schwestern Bernadette (Bernie)und Fiorella (Fio). Sie hatte für eine Familienfeier ein Couplet geschrieben, das die Enkelinnen vortragen mussten. Die Darbietung kam bei der Verwandtschaft dermassen gut an, dass fortan ein Auftritt von Bernie und Fio bei Familientreffen zur Pflicht wurde. Die Mädchen bauten ein Programm mit Schlagern und Volksliedern zusammen, mit denen sie bei Freunden und Bekannten auftraten. Ab 1964 beteiligten sie sich an Nachwuchswettbewerben, wo sie sich regelmässig mit Paola, Yolanda oder Sonny Appleday um die Pokale stritten. Bernie und Fio nannten sich nun „Pony Sisters“. Einer weiteren Öffentlichkeit wurden die Schwestern bekannt als Supporting Act von Roy Black, der mitte der 60er Jahre eine Gastspielreise durch die Schweiz absolvierte. So gut es auf der Bühne lief für die Wälle-Geschwister, so schlecht lief es daneben. Die Eifersüchteleien und Reibereien der beiden waren in der Branche ein offenes Geheimnis.
Pony-Sisters werden erste Schweizer Rockröhren bei den „Sauterelles“…
Toni Vescoli, Boss der „Sauterelles“, der erfolgreichsten Schweizer Beatband wusste von diesen Nickligkeiten. Trotzdem verpflichtete er Ende 1968 die Geschwister für den Neustart seiner Band. Diese war auseinandergebrochen, nachdem sie mit „Heavenly Club“ im Sommer ´68 ihren einzigen Nummer-Eins-Hit in der Schweiz gelandet hatte. Mit dieser Verpflichtung schreibt Vescoli Schweizer Rockgeschichte: Zum ersten Mal gibt es Frauen in im LineUp einer erfolgreichen Schweizer Rockband.
Die „Sauterelles“ beschreiben diesen Neustart auf ihrer Homepage (1): „Mitte Dezember findet der letzte Auftritt dieser Erfolgs-Formation im Zürcher «Blow-Up» statt. An Silvester startet Toni (gemeint Toni Vescoli) im «Tabaris-Club» bereits mit einer neuen Formation von Les Sauterelles. Er will unter diesem Namen eine «Vocal Group» lancieren und hat deshalb die «Pony-Sisters» an Bord geholt. Was im Trio mit Fioretta und Bernadette Wälle begann, wird 1969 erweitert. Drummer Mike (Martin) Stoffner und Bassist Werner Fröhlich stossen zu Les Sauterelles.“

Bernie "Vera" Wälle als Mitglied der "Sauterelles"; Vera Wälle links, Fioretta Wälle rechts
…und verabschieden sich nach zwei Singles
Kurz darauf stehen Fio und Bernie Wälle erstmals im Studio und nehmen als Mitglieder der „Sauterelles“ den Titel „Station On Third Avenue“, geschrieben von den ehemaligen „Easybeats“-Mitgliedern George Young und Harry Vanda, auf. Es folgt in kurzem Abstand mit „Crazy and Dance (The Rock Steady)“ eine zweite Single. Die Plattenfirma hoffte, mit dem Werk einen neuen Tanz-Craze auszulösen (2): „Endlich ein neuer Tanz! „Rock Steady“ heisst die neue Mode, die aus Frankreich kommt, in der Schweiz schon begeisterte Anhänger gefunden hat und jetzt nach Deutschland vordringt. „Les Sauterelles“, eine der besten schweizer Beat-Gruppen, zeigen uns, wie’s gemacht wird. Auf denn zu ein paar Minuten Tanzunterricht!“
Die Zusammenarbeit zwischen den „Sauterelles“ dauerte nur wenige Monate. Dann hatte Vescoli genug von den Exzentrikeiten der beiden Schwestern. Bernie Wälle, die damals mit dem Sänger Sonny Appleday (siehe separater Forumsbeitrag) befreundet war, hatte einen Schallplattenvertrag in Aussicht. Dieser Flirt mit einer Solokarriere missfiel Boss Vescoli, weshalb es zur Trennung kam. Appleday liess seine Verbindungen spielen und vermittelte Wälle noch im gleichen Jahr einen Kontakt zu Produzent Horst-Heinz Henning, der eine Sängerin für die deutsche Version von „Put a little love in your heart“ suchte. Henning hatte dazu mit „Alles Theorie“ geschrieben. Bernie Wälle erinnert sich mit Schaudern an die Aufnahmen: „Es wurde eine schnelle Produktion. Eine unvorstellbare Hetzerei.“ (3)

Aus Bernie wird Vera
Ein neuer Abschnitt in der Karriere der 20jährigen begann. Bernie bekam einen neuen Vornamen. Sie hiess fortan Vera. Und sie erhielt ein stromlinienförmiges Image. Diesem mussten ihre langen Haare weichen, was der gelernten Friseuse fast das Herz brach. Es folgte die obligate Ochsentour durch Diskotheken und Redaktionen von Funk und Fernsehen. Horror für die junge Sängerin waren Live-Interviews: „Die haben sich köstlich amüsiert über meine Hemmungen. Ich kam mir im grossen Deutschland verloren und minderwertig vor. Ich war froh, dass mich Sonny jeweils begleitete.“ (3)
Solche Minderwertigkeitskomplexe quälten sie zu Unrecht. Denn „Alles Theorie“ fand Gnade bei der ZDF-Hitparaden-Redaktion. Am 29. November 1969 trug Vera Wälle mit schlotternden Knien und schwacher Stimme ihr Lied vor. „Ich habe schlecht gesungen und mir dadurch vieles verbaut“ (3), gesteht sie rückblickend. Bernie Wälle stand wieder im Friseursalon in Wil bei St.Gallen. Allerdings nicht lange. Sie schloss sich als Sängerin einem Tanzorchester an, mit dem sie rund drei Jahre durch Nachtklubs und Dancings tingelte, bis ihre Stimme versagte. Erst 1977 kehrte sie auf die Bühne zurück. Mit ihrer eigenen „Bernie’s Band“ folgte die erfolgreichste Zeit. Die Formation gastierte in den besten Häusern. In den frühen 80er Jahren löste sich die Band auf. Es meldete sich schnell Günter Loose, erfolgreicher Texter und Komponist, der sich zu jener Zeit in der Schweiz als Produzent etablierte. Mit seiner Unterstützung startete sie ab 1982 ein Comeback als Solistin, nun unter dem Namen „Bernadette“. Ein Versuch, sich für das Schweizer Finale des Grand Prix Eurovision 1983 zu qualifizieren, misslang.

Bernadette "Vera" Wälle heute
Danach war von Bernie Wälle fünf Jahre lang nichts mehr zu hören. 1988 qualifizierte sich Bernadette mit „Balalaika in der Sommernacht“ fürs Schweizer Finale des „Eurovision Song Contest“, das damals von Céline Dion gewonnen wurde.
Bernadette Wälle sang nun hobbymässig. Und das tut sie noch heute als Mitglied der Formation „Tempi Passati“.
1: http://www.sauterelles.ch/story7.php
2: CBS-Blitzinformation auf Cover von „Be Crazy And Dance“
3: Interview mit Bernie Wälle