Das Thema Norman Ascot ist ein weites. Ich möchte mich bei allen bedanken, die mich unterstützt haben. Da hier in der Regel Kurzfutter -wenn auch nahrhaftes- verfüttert wird, stelle ich den Artikel, den ich über Norman Ascot verfasst habe, ins Forum.
Viel Vergnügen.
Wälz
PS 1: Korrekturen und Ergänzungen sind willkommen.
PS 2: Die Zahlen im Text werden am Ende in den Fussnoten aufgelöst.
Norman Ascot: 15 Jahre ohne Hits und dann „the Teens“
Norman Ascots Karriere ist eine Karriere amerikanischer Art. Sie beweist: Wer im Musikgeschäft über genügend Talent und vor allem Durchhaltevermögen verfügt, kommt zum Erfolg. Als Sänger hechelte Ascot dem Erfolg hinterher. Der Erfolg kam, als er sich von der Front zurückzog und als Produzent und Schreiber hinter den Kulissen tätig wurde. Norman Ascot wurde nie ein Star zu. Es verhalf anderen zu Starruhm. Norman Ascot geht in die deutsche Popgeschichte ein als Produzent der ersten deutschen Boygroup und als Produzent der ersten deutschen Band, die einen goldenen Otto von der „Bravo“ verliehen bekam. Sein Palmarès umfasst Top Ten-Klassierungen mit den „Teens, zwei Goldene und eine Platin-Schallplatte als Komponist.
Norman Ascot suchte das Scheinwerferlicht, den Applaus des Publikums. Er glaubte an seine Talente als Sänger und Entertainer. Er sang in Bands. Er versuchte sich Jahre als Rock’n’Roll-Interpret. Er switchte mitte der 60er Jahre auf Beatmusik. Er sang Schlager. Er legte Platten auf als Disc-Jockey. Er sang im Trio. Er sang im Chor. Fazit aller Anstrengungen: Der Durchbruch blieb aus.
Fünfzehn Jahre lang galt Norman Ascot als bemühter aber erfolgloser Sänger und Musiker. Er war mitte 30, als ihm Peter Meisel nahelegte, die Showkarriere ad acta zu legen und sich als Autor zu versuchen. 1976 beendete er die Sangeskarriere und wurde Komponist und Produzent. Am Mikro flossen sie an ihm vorbei, aus der Feder flossen sie ihm zu, die Hits. Der Erfolg kam 1977 mit dem Lied „Sieben Fässer Wein“, das er für Roland Kaiser komponiert hatte. Ein Jahr später schrieb er mit dem Lied „Gimme, gimme, gimme, gimme, gimme your Love“ deutsche Popgeschichte. Es war der Start für vier erfolgreiche Jahre als Komponist und Produzent der „Teens“.
Norman Ascot wurde als Wolfgang Achim Pliverits am 18. Juni 1941 in Berlin geboren. Er wuchs in einer musikalischen Familie auf. Der Vater war Kapellmeister, die Mutter Opernsängerin. Beste Voraussetzungen also für den Einstieg in eine Karriere als klassischer Musiker. Der Junge interessierte sich indessen für Elvis, für Cliff Richard und vor allem für die Gitarrenmusik der „Shadows“. Er sang die Lieder der Idole nach und er lernte Gitarre spielen. In der Szene liess er sich „Tom“ nennen. Parallel dazu absolvierte er eine Lehre als Grosshandelskaufmann. Anschliessend studierte er am Konservatorium. Fachgebiete waren Fagott und Gesang (13).
1963 erste Single in München
Zu Beginn der 60er Jahre frönte Pliverits der Gitarrenmusik der Shadows. Die Band, mit der er in Berlin auftrat, nannte er „the Gents“. Die Gitarre bediente Andy Mengel. Die Band gewann an einem der damals zahlreichen Nachwuchswettbewerbe einen Schallplattenvertrag. Peter Meisel nahm mit den Jungs 1963 in München die Single „Annabel“ auf und verpasste ihnen den Namen „Tom Schütt und die Gents“. Schütt ist der Name des Stiefvaters von Pliverits und Tom(my) sein Spitzname. Schütt sollte als High-School-Rocker deutscher Prägung neben Gerd Böttcher etabliert werden. Im gleichen Jahr kam mit „Goldie“ Schütts eine zweite Single auf den Markt. Beide Scheiben floppten. Unterdessen wirkte Schütt in der Berliner Band „the Tornados“ (1) als Sänger mit. Aus den „Tornados“ wurden 1964 die „Rollicks“, die sich in der Beatszene einen Namen als „Weltrekordbeater“ machten. Schütt wurde gemäss „Shakin’ all over“ 1964 von den „Tornados“ entlassen und schloss sich danach als Sänger den „Singing Strings“ an. Diese sollen vor allem in Neukölln im „Atelier 13 aufgetreten sein (2).
Erste Schritte als Autor mit Atze von RTL
Die Solokarriere kam trotz vieler Auftritte nicht so recht zum Laufen. Norman Ascot verdiente sich seinen Lebensunterhalt als Disc Jockey. 1966 tat er sich mit Sangeskollege Bert Suplie und dessen späterer Ehefrau Karin Rossol zum Trio „die Folket Singers“ zusammen, das im gleichen Jahr zwei Singles auf den Markt brachte. Das Projekt scheiterte und Ascot konzentrierte sich auf eine Solokarriere. Ein Plattenvertrag mit dem Ariola Sublabel „Maris“ eröffnete neue Perspektiven. Aus dieser Zeit stammt der Künstlername Norman Ascot. Zum ersten Mal konnte Ascot sich als Songschreiber versuchen. Gemeinsam mit dem Rundfunkmoderator Atze (RTL, Hessischer Rundfunk) schrieb er beispielsweise den Titel „Rain-Rain“, der als B-Seite der Single „Sehnsucht, die nie vergeht“ veröffentlicht wurde. Atze alias Hans-Karl Schmidt –wie Ascot ein gebürtiger Berliner- verwendete für seine Autorentätigkeit das Pseudonym „Ted Vallies“ (3).
1970 veröffentlichte das kleine Label Aronda zwei weitere Singles, von Norman Ascot. Hier zeichnete ebenfalls das Duo Ascot-Vallies für alle Songs verantwortlich. Ab 1971 stand Norman Ascot für drei Jahre beim neugegründeten BASF-Label unter Vertrag. Parallel dazu arbeitete er intensiv mit dem Ehepaar Rainford zusammen, mit dem er das Trio P.T.N. (Pete, Tina (Rainford) und Norman) gründete. Pete und Norman schrieben die Nummer „Come on everyone“, die sie auf der ersten Single von „P.T.N.“ 1971 veröffentlichten. Ganz Geschäftsmann gewann Ascot sofort Synergien. Sein erster Solotitel bei BASF hiess „Schön, dass es dich gibt“. Es war die deutsche Version von „Come on everyone“. Während die Karriere von „P.T.N.“ mit der zweiten Single „Living a Life“ im Jahr 1972 frühzeitig endete, veröffentlichte Ascot bei BASF bis 1974 insgesamt fünf Singles.
Chordarsteller für Drafis Projekt „Wir“
In jener Zeit half er gemeinsam mit Tina und Pete Rainford dem alten Berliner Spezl Drafi Deutscher aus der Patsche. Der hatte mit einigen Hamburger Studiomusikern und -sängern im Jahre 1971 das Projekt „Wir“ gestartet, mit dem er Lieder christlichen Inhalts veröffentlichte. Wider Erwarten geriet 1972 die Nummer „David und Goliath“ zum Hit. Fernsehen und Film verlangten nach „Wir“ (4). Drafi musste handeln. Er rief in Berlin an und stellte auf die Schnelle einen Chor zusammen: Tina und Pete Rainford, Claudia Gorden-Nowy, Drafi und Karin „Mulle“ Deutscher, Peter Schaper, Günther Beyer und eben Norman Ascot. In dieser Besetzung ist der Chor im Film „Blau blüht der Enzian“ zu sehen. 1973 nahm Drafi mit dem Chor zwei Singles auf, die aber nicht an den Erfolg von „David und Goliath“ anschliessen konnten.
Intermezzo als „Terry Explosion“
BASF hatte an seinem Schallplattenlabel wenig Freude. Mitte der 70er Jahre stellte die Firma die Musikabteilung ein. Ascot fand bei Meisel, seinem Förderer aus alten Tagen, eine neue Heimat. Ab mitte der 70er Jahre erschienen bei Hansa zwei Singles. Beide floppten. Ascot gab nicht auf. Er schloss sich 1976 dem Quartett „Sunday“ an, das zu Beginn aus ihm selbst, Silvia Gehrke, Jutta Kulitza und Peter Schröder bestand. Daneben steckte er im gleichen Jahr gemeinsam mit Frank Zander hinter den Projekten „Frank Fender“ (5) und „Terry Explosion“ (6). Bei „Frank Fender“ liessen Zander und Ascot den geliebten „Shadows“-Sound auferstehen. Gemäss Zeitzeugen soll sich Hank B. Marvin von den „Shadows“ nach der Veröffentlichung des Titel „Remember Hank B.“ persönlich bei Norman Ascot und Frank Zander bedankt haben. Das Projekt „Terry Explosion“ war hingegen ein Schnellschuss. Zanders „Disco Polka“ entwickelte sich 1976 zu einem Hit. Die Fans erkundigten sich in den Geschäften nach dem vermeintlichen englischen Original von Zanders deutscher Version. Zander kam den Anfragen nach und nahm mit Norman Ascot die „englische Originalversion“ auf. Anzumerken bleibt, dass die Nummer auch identisch ist mit „Ich bin kein Mann für alle Fälle“, die Peter Petrel ebenfalls auf Hansa veröffentlichte (7).
Rückzug hinter die Kulissen
1975/76 zeichnete sich ab, dass Norman Ascot als Sänger den Durchbruch nicht schaffen würde. Peter Meisel, der die Karriere von Norman Ascot seit Anbeginn verfolgt hatte, bot ihm an, im Verlag zu arbeiten. Ascot wurde einer der Hausautoren im Hause Meisel. Es sollte die entscheidende Wende sein im Leben von Norman Ascot.
1977 feierte der Autor Norman Ascot mit dem Titel „Sieben Fässer Wein“ seinen ersten Top Ten-Hit in Deutschland. Roland Kaiser sang ihn bis auf Platz sieben der deutschen Charts. Es folgten nun „Ich bin CB-Funker“ für Gunter Gabriel und bis heute knapp 300 weitere Titel.
The „Teens“: Der Erfolg kam wider Ascots Willen
Das Sprungbrett zum internationalen Erfolg kam im Jahr 1978. Ascot sollte eine Kinderband produzieren, die wie er in einem Interview sagte „grauenvoll“ klang. Er weigerte sich, mit der Band zu arbeiten. Mit dem Killerargument „wenn’s Du nicht tust, tut’s ein anderer“ überzeugte ihn ein Studiokollege, sich mit dem Projekt auseinanderzusetzen. Ascot kramte im Schallplattenständer seiner Kinder und „tat sich eine Nacht lang die Bay City Rollers rein“ (8). In der gleichen Nacht schrieb er die Nummer „Gimme, gimme, gimme, gimme, gimme your Love (Ascot (9): Ich bestand darauf, dass das „Gimme“ fünfmal auf dem Cover erschien.“). Die Urfassung spielte er im Heimstudio ein. Am nächsten Morgen trommelte Ascot ein paar Musiker zusammen und rief die Chormädchen an und sagte ihnen „ihr müsst heut’ mal ´n bisschen höher, ´n bisschen piepsiger singen“ (10). Als das Playback fertig war, rief er die Mutter des Leadsängers Robbie Bauer an, der damals dreizehn Jahre alt war. Bauer sang über das Playback die Leadstimme. Das fertige Band legte Ascot einen Tag später dem Studioboss auf den Tisch. Ein unwilliger Boss fragte: „Was ist das denn?“ „Hab ich gestern geschrieben und produziert. Ist so ´ne Kinderband“, antwortete Ascot. Der Boss hörte sich das Band an. Sein Kommentar: „Bring’n wer raus.“ (11)
Die Fortsetzung ist bekannt. „The Teens“ traten in Wim Thoelkes Sendung „Der Grosse Preis“ auf und wurden über Nacht zu Stars. Für das erste Album lagen vor Veröffentlichung 90'000 Bestellungen vor. Am erfolgreichsten war ihr drittes Album „The Teens today“ das 1980 Platz zwei der deutschen Charts erreichte. 1982 lösten sich die „Teens“ auf.
Ascot schreibt Country-Hit
Ascot blieb ein Hitschreiber. Er bekam 1982 Gold und Platin für das Album „Dich zu lieben“ (mit dem Titel „Sieben Fässer Wein“) und in den 90er Jahren zweimal Gold für den Titel „Sieben Jahre – sieben Meere“, den er für Roger Whittaker geschrieben hatte. 1991 eroberten die „Zillertaler“ mit seiner Nummer „Der liebe Gott muass a Tiroler sein“ die volkstümlichen Charts. Ursprünglich war das Lied für „Western Union“ als „Der liebe Gott, der muss ein Cowboy sein“ geschrieben worden. Mitte der 90er Jahre veröffentlichte er unter dem Namen „Norman Ascot Soundset“ zwei Instrumental CD’s. Danach wurde er ruhiger um ihn. Heute ist er aus dem grossen Geschäft raus. Er schreibt Musik für die Industrie und produziert hie und da in Berlin Künstler wir Tina Rainford oder Bert Beel.
Norman Ascot hat Hits geschrieben, hat Stars gemacht. Sein Handicap: Die grosse Oeffentlichkeit hat ihn nie gekannt und wird ihn nie kennen. Sein Vorteil: Er konnte von der Musik leben, und das nicht schlecht. Oder wie er selber sagt: Ich liebe die Musik und mache alles gern, was damit zusammenhängt. Ich hab’ ja auch nichts anderes gelernt.“
1 Shakin all over (Hans-Jürgen Klitsch), S. 154
2
http://www.addijet.de/jet.htm
3 Mail Norman Ascot vom 10.1.2008
4 Mail Norman Ascot vom 10.1.2008
5 Mail Norman Ascot vom 10.1.2008
6 Mail Norman Ascot vom 16.1.2008
7
http://www.deutschesgold.de/forum/index ... 0#msg_3901
8 Interview Radio Munot (Schweiz) vom 8.8.2005
9 Interview Radio Munot (Schweiz) vom 8.8.2005
10 Interview Radio Munot (Schweiz) vom 8.8.2005
11 Interview Radio Munot (Schweiz) vom 8.8.2005
12 Interview Radio Munot (Schweiz) vom 8.8.2005
13 Wochenschau UFA 0621 vom 18.06.1968