CD-Zerfall bedroht Kulturerbe

Hier ist alles erlaubt, was nicht in "Deutsche Oldies" paßt.

Moderator: Manfred

Antworten
Benutzeravatar
thorsten
memoryradio Moderator
Beiträge: 543
Registriert: Mittwoch 8. September 2010, 23:58
Wohnort: Bremen
Kontaktdaten:

CD-Zerfall bedroht Kulturerbe

Beitrag von thorsten »

Moin moin,

hier kommt Wasser auf die Mühlen von Vinyl-Sammlern:

Deutsches Musikarchiv: CD-Zerfall bedroht Kulturerbe

Das Deutsche Musikarchiv fürchtet um seinen CD-Bestand. Der viel gepriesene Tonträger zerfällt langsam, aber sicher. Die Versprechungen der Industrie Anfang der 80er-Jahre, mit der CD ein Speichermedium für die Ewigkeit gefunden zu haben, entpuppten sich als Ente. "Selbst bei perfekten Lagerbedingungen kann man den langsamen Zersetzungsprozess einer CD nicht aufhalten", klagt der Leiter des Archivs, Ingo Kolasa.

Das Archiv beherbergt hierzulande die umfassendste Musiksammlung: Seit 1983 wird von jeder Audio-CD, die in Deutschland verlegt wird, ein Exemplar in dem Musik-Archiv in Berlin abgelegt. Mittlerweile lagern dort über 373.000 CDs. Bereits bei rund 200 CDs, die in den ersten drei Jahren der Archivierung eingegangen sind, zeigt ein Messgerät Zersetzungserscheinungen. Er habe schon damals Zweifel an den Versprechungen der Industrie gehegt, sagt Kolasa. "Die CD war der erste Tonträger, der aus einem Material-Mix bestand. Die konnten zu dieser Zeit noch gar nicht wissen, wie diese Stoffe miteinander reagieren."

Vor allem die Lacke, die früher für den Label-Aufdruck verwendet wurden, entpuppen sich heute als Killer jeder CD. Sie fressen sich durch die einzelnen Schichten und beeinträchtigen die Reflexionsfähigkeit der CD. Ergebnis: Sie ist nicht mehr zu lesen. Aber auch infolge regelmäßiger Nutzung erleidet eine CD unwiderrufliche Schäden. Schon durch leichtes Biegen entstehen in ihrem Schutzlack Haarrisse, durch die Feuchtigkeit eindringen und die Schutzschicht so zerstört werden kann. Ist der Tonträger zu lange dem Sonnenlicht oder zu großer Kälte ausgesetzt, werden ebenfalls Zersetzungsprozesse in Gang gesetzt. Kolasas Fazit: Die CD ist viel zu sensibel, um ewig halten zu können.

"Unter idealen Lagerungsbedingungen gebe ich einer CD 50 bis 80 Jahre Lebensdauer", sagt der Leiter des Lehrgebietes Multimedia und Internetanwendungen der Fernuniversität Hagen, Matthias Hemmje. Eine "Lagerung unter idealen Bedingungen" hieße jedoch, dass die CDs nicht angefasst und staub- sowie lichtgeschützt in klimatisierten Räumen aufbewahrt werden müssten, deren Temperatur 18 Grad Celsius nicht übersteigt. An das Abspielen der CD unter solchen Bedingungen sei kaum mehr zu denken.

Noch kurzlebiger sind selbst gebrannte CDs, wie sie in Privathaushalten zu Hunderttausenden im Einsatz sind, um Fotoalben, Musik oder Videos zu sichern. Laut Hemmje können diese unter Umständen schon nach einem Jahr nicht mehr lesbar sein. Der Dozent empfiehlt deshalb, die Daten auf externe Festplatten zu speichern.

Über das Abspeichern ihres CD-Bestands auf externen Festplatten hat das Musikarchiv bereits nachgedacht. Deshalb wurde im vergangenen Jahr ein Probelauf gestartet, bei dem eine Firma die Daten aller 20.000 CDs, die 2006 veröffentlicht wurden, auf einen Massenspeicher kopierte. Das lief gut. Aber es handelte sich auch "nur" um den CD-Bestand eines Jahres. Doch was wird mit den CDs, die vor 2006 erschienen? Darauf weiß auch Kolasa keine Antwort. Geht man davon aus, dass jede CD rund 700 Megabyte Daten speichert, sind bei Kolasa 261 Millionen Megabyte archiviert. Das sind rund 249 Terabyte – auf das Musikarchiv käme so ein hoher und kostpspieliger technischer Aufwand zu. Zudem sind Festplatten natürlich beileibe kein Garant für ewige Archivierung, Sicherungs- und Backupsysteme müssten ebenfalls vorgesehen werden.

Weil das Problem nicht nur das Musikarchiv in Berlin, sondern alle Bibliotheken und Archive weltweit betrifft, forscht Hemmje mit einigen Kollegen seit 2006 im Auftrag der EU, wie sich Dateien so sichern lassen, dass sie auch in 100 Jahren noch zu lesen sind – sowohl was Haltbarkeit als auch die Kompatibilität der Daten angeht. Sonst könnte es sein, dass in 100 Jahren niemand mehr Beethoven oder Mozart kennt – weil niemand mehr ihre Musik hören kann. So sehr Kolasa ein Speichermedium, das ewig hält, begrüßen würde, wäre es für ihn doch nur ein "Mittel, eine schlechte Kopie festzuhalten". Sein Sammlerherz würde viel lieber die Original-CD erhalten. Doch von diesem Traum muss er sich langsam verabschieden und wird nostalgisch: "Ach wäre man doch bei der guten alten Schellack- oder Vinyl-Platte geblieben."

Th.
meine Homepage: www.kultur-buch.de
Benutzeravatar
schlagerbummel
Beiträge: 375
Registriert: Dienstag 6. April 2010, 20:02
Wohnort: Saarbrücken

Re: CD-Zerfall bedroht Kulturerbe

Beitrag von schlagerbummel »

Hallo

man hört und liest von diesem "Zerfall" ja immer mal wieder. Ich habe auch CD´s aus der Anfangszeit des Mediums, die sind nach wie vor in tadellosem Zustand ...

Vielleicht liegt das daran, dass ich keine "perfekten Lagerbedingungen" habe, sondern die Dinger einfach in Regalen an der Wand habe?

Generell muss ich aber sagen, dass es schade ums Kulturerbe, nicht nur das musikalische, wäre.

LG, Armin
Suche für mein PETER ALEXANDER Museum SINGLES, EPs und Schellack auf AUSTROTON & ELITE SPECIAL, ebenso suche ich alles von P.A. was wirklich selten ist
Benutzeravatar
Michael
memoryradio Moderator
Beiträge: 1058
Registriert: Samstag 8. Oktober 2005, 20:22
Wohnort: Bludenz (Österreich)

Re: CD-Zerfall bedroht Kulturerbe

Beitrag von Michael »

Hallo Thorsten,

danke für die sehr interessante Info! Tut mir für die Sammler wirklich leid, wenn dem wirklich so ist, aber - wie Du bereits schreibst - für meine Sammlung wäre das kein Verlust...

Liebe Grüsse,

Michael
"Ist der Berg auch noch so steil, a bissl was geht alleweil!"

"Talent ist nichts anderes, als die Liebe zur Sache!" (Romy Schneider)
Benutzeravatar
Rudi
Beiträge: 2033
Registriert: Samstag 8. Oktober 2005, 13:18

Re: CD-Zerfall bedroht Kulturerbe

Beitrag von Rudi »

Das ist doch alles nix Neues.....
Ich habe 1984 meine ersten CDs gekauft und die sind sowohl optisch als auch technisch noch einwandfrei und fehlerfrei abspielbar. Mag sein, dass das ein oder andere Werk (ich glaube Nimbus, wie seinerzeit berichtet wurde) anfangs für die Aufdrucke eine Druckfarbe genommen hat, die im Laufe der Zeit um Zusammenspiel mit Luft die CD-Oberfläche angreift, aber das war wohl die Ausnahme.
Davon abgesehen: Nix ist für die Ewigkeit und auch die Vinylschätze werden sich irgendwann einmal zersetzen. Nur werden wir das Zeit unseres Lebens nicht mehr mitbekommen. ;)
Somebody was trying to tell me that CDs are better than vinyl because they don't have any surface noise. I said, "Listen, mate, -life- has surface noise..." John Peel
Benutzeravatar
Monika
Beiträge: 178
Registriert: Sonntag 9. Oktober 2005, 09:08
Wohnort: Kt. Zürich, Schweiz

Re: CD-Zerfall bedroht Kulturerbe

Beitrag von Monika »

Hallo
Auch bei der CD-R wurde behauptet, dass sie sich nach 10 Jahren so verändern dass sie nicht mehr abspielbar sei. Ich habe CD-R Aufnahmen von 1993 und sie funktionieren immer noch bestens.

LG Monika
Benutzeravatar
RF-Musiker
Beiträge: 188
Registriert: Freitag 15. Juli 2011, 20:21
Wohnort: Berlin

Re: CD-Zerfall bedroht Kulturerbe

Beitrag von RF-Musiker »

Schallplatten zersetzen sich nicht. Wenn man diese nicht spielt, sorgfältig behandelt und darauf achtet, dass sie sich nicht verbiegen, halten sie auch 200 Jahre.
Aber das, was bei Schallplatten selbstverständlich ist, ist bei anderen Dingen nicht selbstverständlich.
Ich denke da an Filme, die sich in die Einzelbestandteile zersetzen "Essigsyndrom" oder an ältere Filme aus Nitro, deren Entzündungspunkt sich senkt und die, da nicht löschbar, eine Gefahr sind.
Oder Tonbänder. Manchmal passiert es, dass die gut erhaltene Vinylplatte besser klingt, als die CD Version, weil eben das Tonband alterte.
Und nicht zu vergessen, Bücher, die sich, seitdem man Papier aus Holz macht, auch zersetzen.
Liebe Grüße
Ronny F
Bruno
Beiträge: 255
Registriert: Dienstag 11. Oktober 2005, 21:55
Wohnort: Berlin

Re: CD-Zerfall bedroht Kulturerbe

Beitrag von Bruno »

Bei den DVD`s ist es noch gravierender. Ich fange auch schon an, mir von wichtigen Filmen 2 Kopien jede auf einen anderen Rohling zu brennen.
Bei mir sind schon ca. 100 DVD`s unbrauchbar geworden.
Rohlinge die nichts taugen: TDK (dunkelblau) und Conmark
Gute Rohlinge: Verbatim und die ersten Aldi-Rohlinge: Life-Tec.
Aber das konnte man zur damaligen Zeit noch nicht ahnen - die Langzeiterfahrung macht schlauer.

Bei den CD`s sind neben den TDK (80) besonders die grünen Philips-CD anfällig.
Aber die weißen TDK (74), die vor 12 Jahren erschienen sind, sind noch heute top.

DAT und Tonband sind immer noch die besseren Speichermöglichkeiten.
Antworten